Dienstag, 17. März 2009

der zärtliche wahnsinn des alltags

[achtung, hier wird gesiezt! bitte trotzdem angesprochen fühlen]

er war ganz und gar normal. Anders kann ich es nicht sagen. Normal im herkömmlichen sinne des wortes: der norm entsprechend. Weniger allerdings dem statistischen mittel der bevölkerung, welches die norm bisweilen durchaus in frage zu stellen wagt, sondern der norm, die als die normative, vorgeschriebene und vorschreibende richtschnur unserem leben form verleihen könnte, hielten wir uns daran. Er tat es. Freilich bezog sich diese linientreue nicht auf jeden bereich des gesellschaftlichen lebens, sondern beschränkte sich fein säuberlich auf die bereiche, die ebenso fein säuberlich von vorschriften in ‚vorgeschrieben’ und ‚verboten’ zerteilt werden.
War er also – wie gerade in diesem augenblick – vor die entscheidung gestellt, der jungen dame mit dem kleinkind am arm das fläschchen vom boden zu reichen, das das kind schreiend zurückverlangte, oder aber dem kontrolleur den fahrschein, so würde er sich – da sehen sie es! – für den fahrschein entscheiden. Nicht dass es illegal gewesen wäre, dazu erst einige sekunden später anzusetzen, nicht dass er nicht gewusst hätte, dass der kontrolleur das sogar wohlwollend zur kenntnis genommen hätte. Nein, es ging ums prinzip, das einzuhalten ihm insgeheim einen wohlig-kühlen schauer über den rücken jagte, was auch wesentlich unauffälliger war, als sich selbst auf die schulter zu klopfen.
Beizeiten ergaben sich durch diese marotte seltsame situationen, in denen seine korrekte art fast schon subversiv die erwartungen seiner mitbürgerinnen und mitbürger unterwanderte. Dann zum beispiel, wenn eben jener kontrolleur, ohne sich groß um den ihm entgegen gestreckten fahrschein zu kümmern, selbst bückte, um mit einem halbhilflosen ‚na, du? da hast du dein fläschchen.’ das weinen des kindes zu beenden. Erst dann wandte er sich den gegenüberliegenden sitzreihen zu und übersah dabei – absichtlich oder professionell – den angesäuerten gesichtsausdruck, der dem steif da sitzenden herrn ins gesicht gewachsen war. ‚danke und gute fahrt.’ und weiter, singend, wie ein kokosnussverkäufer am mittelmeerstrand ‚noch jemand zugestiegen?’.
Das säuerliche gesicht indes, das weit weniger blicke auf sich zog als das süße kindchen, folgte mit seinen blicken der kontrollierten fahrkarte; wie sie ordnungsgemäß hinter das notizbuch in der innentasche des sakkos glitt; und fast wäre das gesicht mit in die tasche geglitten, so versunken war er. Immer noch irritiert von der ignoranz des bahnbediensteten und überzeugt davon, das richtige getan zu haben. So ganz wollte er es wohl doch nicht glauben, denn immer noch war er angespannt und nervös. Und immer wenn er angespannt und nervös war, musste er wasser statt dampf ablassen. Gerne hätte er auch einmal dampf abgelassen, gesetz gab es dagegen ja keines, aber mit linkisch aneinander reibenden oberschenkeln fühlte er sich schnell unwohl und etwas lächerlich, weswegen er es im normalfall – der sein bevorzugter war – vorzog, seinen dampf zu verflüssigen und in der klomuschel zu versenken.
Also nickte er seinem sitznachbarn einmal steif zu und erhob sich, um zur näheren der beiden besetzten wcs zu watscheln. Nein, gehbehinderung hatte er keine. Hätten sie vorhin die beiden schulkinder den mittelgang entlang gehen sehen, wüssten sie, dass es auf dieser strecke für alle fahrgäste schwierig war, aus dem zweigespann von ‚watscheln’ und ‚schwanken’ auszubrechen.
Vor der verschlossenen türe wartete niemand. Plätschern, kichern, ein heruntergeklappter klodeckel, plätschern, jeweils vermengt mit dem rhythmischen gesang des fahrenden zuges, dann ein letztes klacken und heraus traten – eine rauchwolke hinter sich herschleifend – zwei junge mädchen. Er nickte ihnen steif zu, während er sie vorbei ließ. Sie waren schon im nächsten waggon, ehe er noch das wc betreten konnte. Vielleicht war ihnen das geräusch seiner linkisch aneinander reibenden oberschenkel peinlich gewesen, denn der druck war gestiegen, vor allem mit dem anblick und duft der mädchen. Noch aber war es nicht so weit.
Tür zu, Riegel zu. Mit der linken hand kam er den beiden oberschenkeln zu hilfe und kniff verhalten mit, mit der rechten riss er einen langen streifen klopapier ab und wischte schneller werdend, zwei, drei mal, also gut, noch einmal, ja, fünf mal rund um die klobrille, entsorgte das papier und verkleidete die brille mit zwei neu angepassten streifen. Dann stieß er einen gequälten seufzer aus und versuchte hektisch, gürtel und hose möglichst zugleich zu öffnen. Der bund durfte nicht zu tief rutschen, denn es waren schon einige vor ihm hier gewesen und hatten am boden ihr verständnis von ordnung hinterlassen.
Als ich über der klospülung den aufkleber sah, der bat, die toilette während des aufenthalts in stationen nicht zu benutzen, hätte ich mich beinahe verleitet gefühlt, - haben sie auch daran gedacht? - die bahn in einen kleinen provinzbahnhof einfahren zu lassen. da wäre er dann ein, zwei quälende minuten stehen geblieben. über die lautsprecher wären höhnisch die anschlüsse verlesen worden und vielleicht hätten dann sogar die mädchen, nachdem sie ihre köfferchen aus dem waggon gezogen, zufällig, durch den schmalen spalt des gekippten wc-fensters, in seine blanke ungeduld geblickt. dann wäre ihm bestimmt das herz in die hose gerutscht und hätte alle dämme brechen lassen. aber ich will ehrlich zu ihnen sein: weder hielt der zug, noch war in den neuen zügen der aufkleber zu finden.

Er setzte sich mit einem erneuten seufzer und – endlich! – ließ der blasendruck nach. Nur einmal – als jemand, wohl ebenso getrieben, an der tür rüttelte – öffnete er die augen, schloss sie aber sogleich wieder, bis der letzte willige tropfen seinen körper verlassen hatte. Er stand auf, den Hosenbund sicher in beiden Händen und schloß – diesmal sehr gemächlich, beinah lässig –, was es zu schließen galt. Nun würde er sich zeit dafür nehmen, was für ihn zur selbstverständlichkeit geworden war: er würde, wie es ihm seine linientreue gebot, den raum so verlassen, wie er ihn betreten hatte. Nicht rückwärts, nein, und auch nicht hektisch zitternd. Er würde seine spuren tilgen, zeigen, wie es wäre, wenn jeder das täte. Und wem wollte er es zeigen? In erster linie wohl sich selbst. Seine linke Hand schob er in die Hosentasche, wo sie der anderen dabei zusah, wie diese die Spülung betätigte, den Wasserhahn sprudeln ließ und aus dem Strahl einige gezielte Tropfen auf die Klobrille regnen ließ. Was sie nicht sah, war das kindische grinsen, das sich langsam aus den verhärmten gesichtszügen abzeichnete; aus der hämischen freude, sich klüger als die regeln zu fühlen. Kaum erkennbar, wanderten die mundwinkel weiter und weiter auseinander. Zwei cowboys, die in der mittagshitze langsam ihre schritte auseinander zählten. Er zog –
auch die andere hand aus der hosentasche und wusch alle beide, während er wohlwollend im spiegel sein normales gesicht betrachtete. Er kannte es, wie er auch bahntoiletten kannte, aber da! Sein gesicht verriet ihn: eines kannte er noch nicht. Erst versuchte er, es im spiegel zu lesen, dann drehte er sich um und konnte es nicht fassen. Schnell rutschten die mundwinkel wieder die wange herunter und kauerten sich aneinander, so nah es ging. Er fühlte sich betrogen, er fühlte sich dumm und beschämt. Gerne hätte er zwei mal gezwinkert oder sich in die schulter geboxt, doch zum einen war er völlig erstarrt und zum anderen wusste er, dass es nichts half.
Da stand es und er würde sich daran zu halten wissen, die frage war nur wie?
Hauchend leise formten seine lippen die schriftzeichen in laute um:

“bitte verlassen sie diesen raum so, wie sie ihn vorzufinden wünschen“

woher ich das alles weiß? naja, sagen wir es so: kein gesetz gebietet mir, ihnen das zu verraten.

recht auf selbstschutz : selbstschutz durch recht

ich habe es bisher noch nie erwähnt, aber es sei an dieser stelle explizit zum ausdruck gebracht, dass ich beabsichtige, mit meinem literarischen output irgendwann berühmt zu werden, genug geld für einen fetten geländewagen und ein haus auf der innsbrucker hungerburg zu verdienen, so berühmt zu sein, dass ich dann mit links (aber ohne große politische connections) bundespräsident werden kann, um ein junges sternchen aus dem heitren seitenblickesortiment zur mutter meiner vielzähligen kinder zu machen.

warum selbstschutz?
tja, für euch heißt das etwa so viel:
die texte habe ich - es sei denn es wurde markiertermaßen zitiert - selbst geschrieben. ich verweigere mich nicht der - markiertermaßenen - weiterverwurstung, aber wenn jemand vorhat, damit MEINE kohle zu machen, dann verwende ich sämtliche momentan vorhandenen kohlen meiner monetären senkgrube, um dieserm jemand feuer unter dem arsch zu machen. denn das fände ich unlauter.

zwei hoffnungen stehen also (eigentlich zwar hintenan) voran:

1. ihr seid lauter lautere
oder
2. es ist eh alles so mies, dass es kein schwein interessiert

ahja, da war noch eine:
3. wenn ich dann irgendwann kofferweise geld in die hand gedrückt bekomme, hoffe ich, wird nicht twoday.net mit seiner anwalts-crew vor mir stehen und mir die von mir irgendwann akzeptierten obwohl nicht gelesenen 'allg. geschäftsbedingungen' (liest das überhaupt wer? vllt sollte ich das zukünftigt tun) unter den rüssel halten, nur um sämtliche rechte für sich zu beanspruchen.
aber so weit möge meine paranoia nicht reichen, dass ich von meinem bisschen hoffnung auch noch daran etwas verschwenden müsste.

gerade habe ich herausgefunden, wie das heißt, was ich will:
(vielleicht müsste vornean noch cc für creative commons stehen)
by-nc-sa

klingt zwar komisch, ist aber so (das war jetzt auch ein zitat vom mausmann):

Namensnennung, nicht kommerziell, Weitergabe unter gleichen Bedingungen [gerade hatte ich noch aus versehen 'keine bearbeitung' hier stehen, aber ich habs bemerkt und was habe ich getan? bearbeitet!]
das die langform dazu und wo steht das? natürlich auf wikipedia (danke)...

sogar bilder gibts dafür - hab ich noch nie ausprobiert, vielleicht klappts ja:

uff der sparrenbuach mit blick gen ca nordwest
ok, war zwar das falsche, aber ich wollts probiert haben.
2. versuch:
ebenfalls gescheitert
"was auch immer das war, das war kein bild" sagt mir mein blog. naja, der link ist ja da oben, also waynes interessiert: feel free

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Hübscher Text, ganz gut zusammen gebastelt, recht modern....
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